Arbeiten zu Früherkennung und Verlauf bulimisch-anoreltischer Verhaltensweisen.

Es waren verschiedenen Fragestellungen, die mich von Beginn an zum Thema anorektische und bulimischeEssstörungen interessierten. Als Kliniker interessierte mich natürlich von Beginn an die Frage „Wird das, was wir therapeutisch tun, nicht nur kurzfristig, sondern auch längerfristig wirksam sein?“ Das machte es erforderlich, behandelte Patienten auch Jahre später noch persönlich nachzuuntersuchen. Die erste Arbeit befasste sich mit der Nachuntersuchung der seit Mitte 1975 auf Station 4 im Max-Planck-Institut für Psychiatrie aufgenommenen magersüchtigen Patientinnen und Patienten bis zu einem Zeitpunkt sieben Jahre nach der Behandlung.

1985 startete die Klinik Roseneck,, die ich ärztlich leitete; dies war die erste Klinik, die in Deutschland eine Spezialstation allein für Patienten und Patientinnen mit einer Essstörung gründete und damit eine sehr viel gezieltere Therapie einsetzen konnte. Hier konnten wir eine größere Kohorte von 103 Magersüchtigen, 196 Bulimia-nervosa-Patientinnen und 68 Patientinnen mit einer Binge-Eating-Störung über zwei, sechs und schließlich zwölf Jahre nachuntersuchen. Zu diesem Thema reichte ich eine Arbeit für den Christina Barz-Preis ein, wobei zu diesem Zeitpunkt die 12-Jahres-Verlaufsuntersuchung noch in der Ferne lag.

Die Ergebnisse lassen sich nicht in einem Satz zusammenfassen. Wenn ich es dennoch tue: Wie auch in der Literatur berichtet, war die Mortalitätsrate bei Magersucht deutlich höher als bei Patientinnen mit Bulimia nervosa oder Binge-Eating-Störung. Auch die Chronizität war bei Magersucht größer. Der Verlauf insgesamt war bei Patientinnen mit Bulimia nervosa und mit Binge-Eating-Störung etwa gleichartig. Es gab Crossovers zwischen der Diagnose Magersucht und Bulimia nervosa und umgekehrt, jedoch so gut wie gar nicht zwischen Magersucht und der Binge-Eating-Störung (Fichter & Quadflieg, 2004; Fichter, Quadflieg, Hedlund, 2006; Fichter & Quadflieg, 2007; Fichter, Quadflieg, Hedlund, 2008). Verlaufsuntersuchungen ermöglichen auch post hoc die Identifikation von Prädiktoren für den Verlauf von Essstörungen – auch ein wesentliches Ziel unserer wissenschaftlichen Arbeiten.

Prof. Manfred M. Fichter